Entscheidung

Datum: 02.09.2022
Aktenzeichen: 8 TaBV 15/22
Rechtsvorschriften: §§ 18 Abs. 2, 3 Abs. 2, 4, 9 BetrVG

  1. Für die Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffes in § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG „räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernter Betriebsteil“ kommt es allein auf die räumliche Entfernung an, nicht auf andere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit dem im Hauptbetrieb bestehenden Betriebsrat.
    Eine Entfernung zwischen Filiale und Hauptbetrieb von 58 km und ein zeitlicher Aufwand für die Hin- und Rückfahrt von ca. 1 /1/2 Stunden ist ein zu großer Aufwand, der dazu führt, dass eine effektive Betriebsratsbetreuung der Mitarbeiter der Filiale mit der Möglichkeit eines unmittelbaren Kontaktes von Angesicht zu Angesicht vom Betriebsrat des Hauptbetriebes nicht gewährleistet ist.
     
  2. Eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Bildung eines Unternehmenseinheitlichen Betriebsrates, die vorsieht, die in § 9 BetrVG geregelte Anzahl der Betriebsratsmitglieder mehr als zu verdoppeln, verstößt gegen zwingendes Recht. Eine Abänderung des § 9 BetrVG durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kommt nicht in Betracht.
    Der Verstoß gegen § 9 BetrVG führt vorliegend zur Gesamtnichtigkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung, da deren Regelungen alle unlösbar mit der unwirksamen Erhöhung der Betriebsratsmitgliederanzahl verbunden sind.
     
  3. Auch das Verhältnis des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a) und § 3 Abs. 1 Nr. 1 b) BetrVG ist nach dem im BetrVG geltenden Grundsatz des Vorranges der Vertretung durch örtliche Betriebsräte zu bestimmen.
    Einer regionalen Betriebsratsstruktur ist dem Unternehmenseinheitlichen Betriebsrat der Vorrang einzuräumen, d.h. ein Unternehmenseinheitlicher Betriebsrat darf nicht gebildet werden, wenn bereits die Zusammenfassung von einzelnen Betrieben zur Bildung von Regionalbetrieben möglich ist. Es besteht somit eine Stufenfolge. Angesichts der Bedeutung der räumlichen Nähe soll der Unternehmenseinheitliche Betriebsrat die Ausnahme bleiben.

Rechtsbeschwerde wurde beim BAG am 09.12.2022 unter dem Aktenzeichen
7 ABR 25/22 eingelegt.

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