Entscheidung

Datum: 07.03.2022
Aktenzeichen: 1 TaBV 23/21
Rechtsvorschriften: § 19 BetrVG; §§ 7, 8, 16, 18, 24 WO

  1. Prüft der Wahlvorstand eine eingegangene Vorschlagsliste nicht unverzüglich, sondern stellt er erst nach Ablauf der Einreichungsfrist fest, dass sie einen nicht wählbaren Kandidaten enthält, macht allein dies die Wahl anfechtbar. Erst recht gilt dies, wenn der Wahlvorstand in Absprache mit dem Listenvertreter den nicht wählbaren Kandidaten nachträglich streicht und die Liste zulässt.
  2. Die Nichteinhaltung der Mindestfrist von sechs Wochen zwischen Aushang des Wahlausschreibens und Wahltag nach § 3 Abs. 1 WO macht die Wahl anfechtbar. Bei ausschließlicher Briefwahl müssen mindestens sechs Wochen zwischen Aushang des Wahlausschreibens und Abgabefrist für die Briefwahlunterlagen liegen.
  3. Wahlniederschrift nach § 16 WO und Bekanntgabe der Gewählten nach § 18 WO sind unterschiedliche Dokumente. Wird allein die Wahlniederschrift durch Aushang bekannt gemacht, ist dies aber ausreichend, wenn in diesem Aushang die Namen der Gewählten nach deren Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme der Wahl deutlich erkennbar sind.
  4. In Einzelfällen erscheint es als zulässig, wenn der Wahlvorstand auf die Aufstellung einer Urne verzichtet und für alle Beschäftigten Briefwahl anordnet. Es spricht viel dafür, dass im Hinblick auf die Pandemie im Sommer 2020 nicht davon ausgegangen werden konnte, dass einer Urnenwahl Hindernisse entgegenständen.
  5. Der Wahlvorstand ist nicht verpflichtet, für eingehende Briefwahlstimmen einen Briefkasten oder eine Urne bereitzustellen. Werden die Briefwahlstimmen in der Poststelle in einer offenen Box aufbewahrt, die täglich von einem Mitglied des Wahlvorstands geleert wird, ist dies unschädlich, wenn die Poststelle durchgehend mit hierfür vorgesehenen Mitarbeitern besetzt ist. Erst anschließend sind die Briefwahlstimmen an einem sicheren Ort verschlossen aufzubewahren.
  6. Macht eine Vorschlagsliste, in der Wahlvorstandsmitglieder auch kandidieren, Werbung für diese Liste unter der Verwendung der Bezeichnung „Euer Wahlvorstand“, kann dies die Arbeitnehmer beeinflussen; der Wahlvorstand ist gehalten, unverzüglich alles zu tun, um die Weiterverwendung der Werbung zu stoppen. Unternimmt er nichts, macht dies die Wahl anfechtbar.
  7. Wendet sich der Wahlvorstand als solcher in einer Mail an die Arbeitnehmer, darf diese Mail keine Tendenz enthalten, die als Ablehnung einer Liste verstanden werden kann. Daher sind Erläuterungen, nur wegen der Liste XY sei „der Normalfall“ der Personenwahl nicht möglich, und, man solle bedenken, dass der Betriebsrat nicht nur für einzelne da sei – weil die Bewerber der zweiten Liste vorrangig aus einem bestimmten Kreis von Beschäftigten stammen –, geeignet, die Wähler zu beeinflussen. Auch dieser Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Wahlvorstands begründet für sich die Anfechtung der Wahl.

 zum Volltext